Diese Woche war ich wieder Praktikantin und habe Ivan Ivanov, seine neue Kollegin Velislava Firova und Letitia Türk von der beim DGB angesiedelten Beratungsstelle Faire Mobilität bei Ihrer Arbeit begleitet.
Gemeinsam mit Maximo Lorenzo von der IG BAU waren wir auf Baustellen am Riedberg, Ostbahnhof und in Bad Homburg. Wir haben den Bauarbeitern die Gewerkschaft vorgestellt und über Mindest- und Tariflöhne aufgeklärt. Dann stellten wir Fragen: Was sie verdienen, wo sie wohnen, wieviel sie arbeiten und für wen und seit wann. Die meisten stammen aus Bulgarien, Rumänien und Ex-Jugoslawien. Am schwierigsten ist es auf fast allen Baustellen, die Firmenverflechtungen nachzuvollziehen. Die meisten Subunternehmen existieren nur wenige Monate, wechseln dann Namen und Geschäftsführer. Wurde früher oft komplett schwarzgearbeitet, sind heute viele Arbeiter in Teilzeit, was aber wenig realistisch ist. Sozialbeiträge werden nicht gezahlt, Arbeiter zwischenzeitlich abgemeldet, Urlaubsgeld einbehalten. Der Nachweis der tatsächlich geleisteten Arbeit ist schwierig, woran oft im Streitfall Ansprüche an den eigentlich haftenden Hauptunternehmer scheitern, bzw. man einigt sich auf einen Vergleich. Gerade Rumänen werden oft in die Scheinselbstständigkeit getrieben. Sie kennen nicht den Unterschied zwischen einem Arbeitsvertrag und einem Gewerbeschein.
Die Frankfurter Beratungsstelle berät bulgarisch, rumänisch und polnisch. Die Beratungsfälle haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Viele Ratsuchende arbeiten auch in der Gebäudereinigung oder der Pflege und auch Saisonarbeiter wie jetzt die Spargelstecher gehören zur Klientel. Viele sind mit unserer Bürokratie überfordert. Für Zeiten der Nichtbeschäftigung werden zB Krankenkassenbeiträge bei ihnen direkt eingefordert, bzw. gerade im Baubereich passiert das auch, wenn Firmen sie zwischendurch abmelden.
Mein Fazit: Die Hilflosigkeit dieser Menschen, die meist unserer Sprache nicht mächtig sind, wird bewusst einkalkuliert, wenn sie oft direkt in ihren Herkunftsländern angeworben werden. Unser Wohlstand baut nicht nur in diesem Fall auf Ausnutzung anderer auf. Ein Patentrezept zur Beseitigung der Missstände gibt es nicht, aber der stetige Ausbau der Beratungsstellen wie der Fairen Mobilität die auch aufsuchend arbeiten, die weitere Aufstockung des Zolls und eine bessere Vernetzung aller Akteure untereinander muss weiter vorangetrieben werden. Und vor allem die Hessische Landesregierung muss endlich ihren Widerstand aufgeben und eine Kontrollbehörde für öffentliche Vergaben einsetzen, da sie ansonsten mit Schuld trägt an Lohndumping und Ausnutzung. Das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz bleibt sonst ein zahnloser Papiertiger. Dieses Jahr soll es endlich evaluiert werden. Auch dem zuständigen Minister Tarek Al-Wazir täte es gut, sich mal die Realität außerhalb des Landtags vor Ort anzusehen wenn er wieder sagt: „Eine Kontrollbehörde sei nicht notwendig“.