Interview aus der Frankfurter Rundschau vom 12.04.2016 zu meinem Praktikum in der Flüchtlingsunterkunft des DRK im Niederstedter Weg Bad Homburg
Frau Barth, wie oft haben Sie sich inzwischen als Praktikantin versucht?
Das war mein viertes einwöchiges Praktikum seit 2014. Ich war schon in einem Pflegeheim, in einer Wohngruppe des internationalen Bundes und im Hessenpark.
Warum jetzt in einer Flüchtlingsunterkunft?
Das Thema liegt einfach so nahe.
Wie viele Stunden pro Tag waren Sie im Einsatz?
Zwischen vier und sieben.
Welche Erwartungen hatten Sie an das Praktikum?
Ich habe schon erwartet, dass ich eine recht abwechslungsreiche Zeit haben werde. Mir war klar, dass ich nicht einfach Tag für Tag das gleiche mache.
Und? Sind diese Erwartungen eingetroffen?
Absolut.
Welche Arbeiten mussten Sie denn verrichten?
Ich war in erster Linie Ansprechpartnerin bei allen möglichen Fragen. Wenn ich in ein Zimmer Bettwäsche gebracht habe, war klar, dass auf dem Weg dahin mindestens drei neue Fragen aufkommen.
Was wollten die Menschen wissen?
So vieles. Sie müssen sich vorstellen, dass mache noch nie im Leben einen elektrischen Herd bedient haben, Geschweige denn, ihn nach dem Kochen gesäubert haben. Auch sanitäre Anlagen sind nicht jedem von Anfang an bekannt und vertraut.
Waren Sie alleine unterwegs?
Nein, ich habe mich immer an eine der Hauswirtschaftlerinnen gehalten, auch an deren Dienstplan.
Welche Aufgaben standen noch an?
Wenn Postausgabe war, täglich von 10.00 bis 12 Uhr, hatten die meisten gleich Fragen zu den Briefen. Da gab es großen Erklärungsbedarf, den oft nur Hauptamtliche oder geschulte Ehrenamtli8che leisten konnten. Viele der Bewohner warten vor allem auf ein Schreiben vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
Was für ein Schreiben ist das?
Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber bei ganz vielen hat der Asylprozess noch gar nicht begonnen. Die warten sehnsüchtig auf die Einladung zu einem Gespräch in der Erstaufnahmeeirichtung in Gießen, einer Außenstelle des BAMF. Erst da können sie ganz formal ihren Asylantrag stellen. Ein Satz, den ich so oft gehört habe in dieser Woche, lautete: „Wann Interview?“ Manche warten seit sechs Monaten.
Wie erklären Sie sich das?
Ich hatte bisher j auch nur aus den Medien von einer Überbelastung beim Bundesamt gehört. Nach der Woche muss ich sagen: Das scheint tatsächlich so zu sein.
Können Sie als Politikerin daran etwas ändern?
Auf kommunaler Ebene sowieso nicht, selbst der Landtag ist die falsche Ebene. Aber ich werde es in Wiesbaden ansprechen, ob man nicht wenigstens die Modalitäten ändern kann. Auch wenn man so lange auf die Einladung warten muss, sollte es wenigstens eine Auskunft über die Dauer der Wartezeiten geben. Das lange Warten zermürbt die Menschen.
Welche Lehren ziehen Sie sonst?
Ich habe noch viel mehr Respekt vor der Leistung der Helfer.
Inwiefern?
Ich habe gesehen, mit welchen immensen Aufgaben sie dort betreut sind. Erklären sie einem Flüchtling mal, was eine Fiktionsbescheinigung ist, die in einem Schreiben der Behörden gefordert wurde. Das mussten wir selbst erst einmal googlen.
Gab es negative Erlebnisse?
Nein. Aber einmal kam eine ältere Dame und wollte Stofftiere spenden. Da das Lager voll war, konnten wir die nicht annehmen. Da hat sie zehn Euro in Münzen aus der Tasche geholt und einem Jungen einfach geschenkt. Das geht so nicht. Wie soll ein Achtjähriger das richtig einschätzen können? Da brauchen wir uns nicht wundern, wenn Flüchtlinge falsche Vorstellungen über unser Land entwickeln.
Und ein positives Highlight?
Die Summe machte es aus. Wichtig aber für mich war, zu sehen, dass entgegen anders lautender Vorurteile kein einziger Bewohner respektlos mir gegenüber war. Mir hat auch jeder die Hand gegeben.
Interview: Fabian Böker